Herz & Kunst: Der medizinische Hintergrund
Kunst und Forschung, Wissenschaft und Kreativität stehen immer in enger Beziehung zueinander. Von Leonardos naturwissenschaftlichen und anatomischen Studien über optische Experimente der Renaisssance zu Goethes Farbenlehre oder den physiognomischen Lehren des 18. Jahrhundert und den beuys’schen Fragestellungen im Bereich der Energie reicht die Palette der Berührungen und Anregungen. Nicht zuletzt basiert umgekehrt die Visualisierung etwa von Atommodellen oder chemischen Formeln auf künstlerischem Darstellungsvermögen.
Das internationale Kunstprojekt Kadoum versucht in dieser Tradition, die Verbindung von medizinischer Forschung und künstlerischer Auseinandersetzung mit dem Körper neu zu interpretieren. Mit Hilfe der zeitgenössischen Übertragungsmedien Handy und Internet kommt es zur Zusammenkunft medizinischer Aufnahmemethoden, einer wissenschaftlichen Datenbank, die Herzfrequenzen darstellt und einer Kunstinstallation, die die Impulse als Schwingungen weiterverarbeitet.
Kadoum verbindet und präsentiert medizinische, technologische, künstlerische und kommunikative Fragen unserer Zeit. Die Herzschläge von 16 Menschen in Australien sowie die eines Berliners werden rund um die Uhr registriert und live via Handy und Internet nach Deutschland übertragen. Die Impulse bilden das Rohmaterial für eine Installation von 16 Wassereimern, welche entsprechend der Herztöne in Resonanz versetzt werden. Parallel werden die Herzfrequenzen wissenschaftlich erfasst und archiviert. Als Grundlage hierfür dient die internationale Datenbank PhysioNet. Für die biomedizinische und neurowissenschaftliche Forschung stellt sie ein ständig wachsendes Archiv digitalisierter Daten physiologischen Ursprungs dar. Über Internet ist PhysioNet weltweit allen Forschern zugänglich.
Einen direkten Zugang finden Sie über: http://www.physionet.org. Hintergrundinformationen über PhysioNet sind ebenfalls in der jüngsten Ausgabe des Fachmagazins „Circulation“ nachzulesen. Verantwortlich für die Datenpflege und Ansprechpartner zu Nutzungsfragen der Datenbank ist der Biomediziner Dr. George B. Moody, Mitglied der Forschungsgemeinschaft zu Gesundheitsfragen und Technologie am Massachusetts Institute of Technology in Harvard. Einen direkten Zugriff erhalten Sie über: http://hst.harvard.edu
Dem Projekt Kadoum beratend zur Seite gestellt ist Prof. Cees A. Swenne, Kardiophysiker im Herzforschungszentrum der Medizinischen Universität Leiden in den Niederlanden.
Einen Überblick zu seinen Publikationen erhält man über: http://home.planet.nl/~swenne/publications.html
Vom 11. – 23. September 2001 wird erstmalig in Berlin das interaktive Kunstprojekt Kadoum im öffentlichem Raum in der Passarelle am Potsdamer Platz präsentiert. In der Zeit vom 12. – 15. September 2001 findet eine Darbietung von Kadoum auch im Deutschen Technikmuseum Berlin statt. Im Rahmen der Langen Nacht der Wissenschaften am 15.9.2001 wandeln zusätzlich sechzehn Mitglieder des Rundfunkchors Berlin die Herzfrequenzen in Klänge um (21.30 Uhr & 24 Uhr). Der Komponist Daan Manneke koordiniert hierbei die Abfolge der Töne, die mit Hilfe von Kardiogrammen ermittelt werden.